Ich merke erst, dass ich da angekommen bin wonach ich mich gesehnt hatte, als mich jemand nach der Uhrzeit fragt. Ich habe keine Ahnung. Seit Monaten verzichte ich auf Armbanduhr und Smartphone. Nur im Ernstfall, wenn ich frühmorgens einen Bus oder Zug erwischen muss, werden derlei Geräte eingesetzt. Am liebsten würde ich ewig ohne auskommen.
Ich fühle mich durch die technische Enthaltsamkeit eher bereichert als dass mir etwas abgehen würde. Und das Schönste daran: Die Zeit vergeht verdammt langsam. Erstens, weil man sich nicht ständig nach ihr richtet. Zweitens, weil man hier und jetzt, im Augenblick lebt. Alles mitnimmt, was auf einen zukommt. Und Hirn und Herz so frei sind, dass man jede Begegnung, jedes Erlebnis so intensiv wie möglich aufnehmen kann.
Monatelang Nichtstun, geht das?
Schlafen, bis einen der Hunger weckt und so lange am Strand liegen, bis die Sonne untergeht. Das sind die Bilder, die man im Kopf hat, wenn sich jemand für mehrere Monate aus dem Alltag verabschiedet. Und sie stimmen! Aber nur teilweise. Denn es gibt Millionen von Dingen, die man auf so einer Reise anstellen kann. Die Liste ist endlos lang, und das simple Nichtstun steht dabei meistens gar nicht so weit vorne. Oft versinkt man stundenlang im Chaos einer Stadt. Geht bewusst verloren. Radelt endlos lang der Sonne entgegen oder schaut Kindern beim Baden im Fluss zu. Irgendwie macht man immer was, aber viel bewusster als daheim, wenn man den Job, den Großeinkauf, die nächste Familienfeier und eine niemals schrumpfende To-Do-Liste im Kopf hat.

Wie viel Mut gehört dazu, die Reise seines Lebens anzutreten?
Wer länger reist, sieht das Unterwegssein nicht als Urlaub an. Es wird zum Alltag – zugegeben, zu einem sehr ereignisreichen, sehr schönem Alltag. Als ich Österreich verließ, meinten viele Kollegen: „Du bist so mutig!“ „Ich bin nicht mutig. Das ist der Verlauf meines Lebens und ich will, dass es genau jetzt passiert“, antwortete ich. Mut gehört freilich nicht dazu, seine Siebensachen zu packen und loszuwandern. Reisen ist heutzutage einfach – vielleicht zu einfach. Mutig sind vielmehr die Menschen, die man unterwegs trifft und die das Leben oft unter ganz anderen Voraussetzungen bewältigen. Oder diejenigen, die reisen, um anderen zu helfen. Oder die Entdecker aus früheren Zeiten, die wochenlang mit dem Schiff auf Hoher See ausharrten, um auf absolutes Neuland zu stoßen.

Langzeitreisen: Was ist so faszinierend daran?
Was könnte daran nicht faszinierend sein? Es ist die absolute Freiheit! Es ist ein Eintauchen in Welten, von denen man niemals geahnt hätte. Es ist Glück, das ganz tief von innen kommt. Jeden Tag neue Emotionen. Vertrauen in die Welt. In sich selbst. Eindrücke, die das Hirn zum Querdenken ankurbeln. Die eigenen Gedanken werden weniger oberflächlich. Dasselbe gilt für die Gespräche mit anderen. Man redet nicht über Termine, Geld, Erfolg. Muss nicht versuchen, sich darzustellen. Man redet über das, was einen bewegt. Alles, was man besitzt, trägt man am eigenen Leib und im Rucksack. Materielles wird nicht nur zweit-, sondern absolut letztrangig. Das schafft Platz für eine Masse an Dingen, die man mit Geld niemals kaufen kann.
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Tipps für Langzeitreisende gefällig? Bitte sehr.
Hallihallo,
wunderbar echter, ehrlicher Artikel! Danke dafür! Ich bin selbst erst vor kurzem von einer längeren Reise zurückgekommen und kann wirklich JEDES Wort in diesem Artikel nachvollziehen. Nun versuche ich, die auf Reisen erlangte Freiheit in Österreich umzusetzen. Und ich glaube, es kann einfach nicht funktionieren. Schade. Dann muss ich wohl wieder los sobald es die Finanzen zulassen 😉
LG Isabella
Liebe Isabella!
Danke! Natürlich ist bei Langzeitreisen nicht jeder Tag ein guter Tag, aber das gehört dazu und das weißt du ja selbst 🙂 Aber alles in allem eine unschlagbare Erfahrung. Auch ich versuche, zurück in Österreich von meinen Reisen zu profitieren. Natürlich hat man dabei ganz andere Ausgangslage – es ist einfach nicht dasselbe. Aber ich glaube, man lernt beim Reisen so viel über die Welt, andere Menschen und sich selbst, dass das alleine eine unglaubliche Bereicherung für das Leben daheim ist.
Alles Liebe
Maria
wow du triffst mit deinem Bericht genau auf den Punkt! 🙂
Hallo Chris,
vielen Danke! Was war deine längste Reise?
lg Maria