Ich lebe gerne hier, Marseille ist eine schöne Stadt. Was mir nicht gefällt: Es ist sehr laut und schmutzig hier.“ Ein kleines Bio-Café in einer Seitenstraße von Marseille (Green Love, 22, Boulevard Louis Salvator). Der Platz ist begrenzt, zwei junge Mitarbeiter haben Mittagspause und setzen sich an den Tisch der Reisenden.
Vor allem das achtlose Wegwerfen von Kaugummis sei ein Problem, ergänzen sie. Laut Stadtregierung werden in der südfranzösischen 900.000-Einwohner-Metropole Marseille jedes Jahr mehr als drei Millionen Tonnen Kaugummi auf den Boden geschmissen. Eine Kampagne in mehreren Stadtvierteln mit dem Hashtag „ColleTaGum“ will Bewusstsein schaffen. Immerhin seien die Flecken, die Kaugummi auf Gehsteigen und Straßen hinterlassen, bis zu fünf Jahre lang zu sehen.
Alternatives Viertel Cours Julien in Marseille
Wenn man junge Leute in Marseille fragt, welcher Stadtteil ihr liebster ist, dann ist die Antwort meist eindeutig: la Quartier Cours Julien. Das kleine alternative Viertel liegt auf einer Anhöhe und ist vom Stadtzentrum beziehungsweise Hafen aus zu Fuß oder mittels Metro (Station: Notre Dame du Mont) zu erreichen. Es ist eine Art alternative Sehenswürdigkeit in Marseille. Der Cours Julien ist ein langgezogener, autofreier Platz mit Springbrunnen, Olivenbäumen, Zypressen, einem Kinderspielplatz, viel Graffiti und Cafés mit Stühlen in der Sonne. An einer Mauer lehnen ein paar Leute, Reggae-Musik tönt aus einem Lautsprecher über den Platz.
Auch die Wände der engen Gassen hinter dem Cours Julien sind mit Street Art verziert. Kleine Boutiquen, Galerien, internationale Küche von mexikanisch bis persisch und Bars prägen das Bild dieses Viertels in Marseille. Jetzt am Nachmittag sitzen nur ein paar Sonnenhungrige draußen, abends soll hier die Post abgehen.
Künstler wie Vincent Tavernier
Einer der wenigen Künstler, die tagsüber hier anzutreffen sind, ist Vincent Tavernier. Er stammt aus Paris, hat sich hier in Marseille auf Holzschnitt spezialisiert. Dazu zeichnet er filigrane Muster und Figuren auf ein glattes Holzbrett.
Die nicht zu druckenden Teile werden mittels Messer weggeschnitten, der Rest eingefärbt und auf Papier gedruckt. Wie die meisten Einheimischen, die man als Reisende in Marseille antrifft, entschuldigt sich Vincent für sein schlechtes Englisch.
Kriminalität: Marseille gilt als gefährlich
Marseille ist die älteste und zugleich zweitgrößte Stadt Frankreichs. Und: Sie hat einen schlechten Ruf. Auch wenn sie 2013 Europäische Kulturhauptstadt war, was viele Verbesserungen mit sich brachte – noch immer gilt Marseille als gefährlichste Stadt des Landes: Kriminalität, Drogen, Gewalt und Viertel, die man besser nicht betreten sollte (siehe Reportage von Das Erste über das nördliche Viertel La Savine).
Als Tourist bekommt man von der Bandenkriminalität im Norden Marseilles freilich nichts mit. Einzig: Gleich bei der Ankunft wird man von mehreren Seiten vor Taschendieben gewarnt, etwa vom Sicherheitsbeamten in der Metro oder vom Hostel-Mitarbeiter. Vielleicht überrascht es deshalb umso mehr, wie gastfreundlich, hilfsbereit und zuvorkommend man als Reisende aufgenommen wird. Wer suchend mit einem Stadtplan an einer Ecke steht, bekommt sofort Hilfe angeboten.
Die Sehenswürdigkeiten von Marseille beim Flanieren erkunden
Pittoresker Stadtmittelpunkt und zugleich eine maritime Sehenswürdigkeit in Marseille ist der alte Hafen, der Vieux Port, der weit ins Zentrum reicht. Jeden Tag in der Früh findet dort ein kleiner Fischmarkt statt. In den dahinter liegenden Einkaufsstraßen sind die üblichen 08/15-Markenläden untergebracht. Sehenswert sind die mediterranen Hausfassaden mit ihren hohen hölzernen Doppelfensterläden trotzdem.
Der Höhepunkt eines Streifzugs durch Marseille erfolgt am späten Nachmittag, wenn die Sonne langsam untergeht. Dann befindet man sich am besten vor der Basilika Notre-Dame de la Garde, die hoch über dem Häusermeer thront. Die Sonne färbt die Mauern der sakralen Sehenswürdigkeit golden ein, während sie Marseille nach und nach in ein rosa-blaues Licht taucht.
Marseilles extravagantes Nachtleben
Nachts steppt der Bär da, wo das Kollektiv „Borderline“ – tätig ist. Die Eventorganisatoren sind stadtbekannt und verwandeln ausgefallene Locations in Marseille vorübergehend in Nachtclubs. Die nächsten Termine sind auf der Website beziehungsweise auf facebook verlautbart.
Roxane und Anabelle, beide Anfang vierzig, verbringen den Abend mit der fremden Reisenden. Roxane entwirft japanische Manga-Mode, Anabelle arbeitet im Immobilienbereich. Die Frage, ob das Leben in Marseille gut sei, bejahen sie. „Die Leute“, sagt Anabelle, „sind allerdings nicht sehr freundlich.“ Tatsächlich?
Koffer packen und los geht’s:
- Anreise: Natürlich kann man nach Marseille fliegen. kofferpacken.at hat die umweltfreundlichere und gemütlichere Variante gewählt und ist mit dem Zug angereist. Dauer: rund 14 Stunden mit nur einem Umstieg in Frankfurt/Main. Am einfachsten über die Seite der Deutschen Bahn oder über Oui.SNCF, den Vertriebspartner der französischen Bahn SNCF in Europa buchbar. Wer etwas mehr Zeit aufwendet und Glück hat, bekommt vielleicht einen besseren Preis: Auf der Seite der Deutschen Bahn im Sparpreisfinder “Start oder Ziel außerhalb Deutschlands wählen”. Als Abfahrtsort eine österreichisch-deutsche Grenzstadt wie zum Beispiel Passau eingeben und als Zielort Marseille. Einen Zug wählen, der von Wien oder Linz über Passau nach Frankfurt fährt. Das Ticket von (zum Beispiel) Passau nach Marseille online kaufen. Das Ticket vom Abfahrtsort in Österreich bis zur Grenze Deutschland/Österreich einfach direkt am ÖBB-Schalter besorgen. Es gibt auch Verbindungen ab München, die Fahrtzeit beträgt ab 11 Stunden, man muss aber zweimal oder mehrmals umsteigen. Nach der Ankunft am Bahnhof Gare St. Charles in Marseille geht’s direkt mit der Metro ins Stadtzentrum.
- Unterkunft: Am besten in der Nähe des alten Hafens, des Vieux-Port, buchen. Von hier aus kann man die Stadt relativ gut zu Fuß erkunden.
- Ausflug: Nationalpark Calanques – von Kalksteinfelsen geformte Meersbuchten und Strand mit kristallklarem Wasser
Ich habe mich in Marseille soooo wohlgefühlt. Mein Lieblingsviertel: Das Parnier!
Das werden wir beim nächsten Mal genauer erkunden :_)
Und keinesfalls verpassen: Maison Empereur, ein Haushaltswarengeschäft mit dem unglaublichen Angebot. Geschirr, Töpfe, Pfanne, Mausefallen, Kabel, Lichtschalter, altertümliches Kinderspielzeug, Einkaufskörbe, Seifen alle Art sowieso, Bürsten, Schwämme, Haushaltstextilien, Fliegenklatschen, Messingbeschläge. Und das alles in einem höhlenartigem Labyrinth von Räumen und Gängen und Nischen, wo man all die Dinge findet, von denen man gar nicht geglaubt hat, dass es sie überhaupt gibt. Liegt in einer Seitengasse der Haupteinkaufsstraße Canebiere gleich in der Nähe des Alten Hafens. Genug Zeit einplanen – ihr wollt da nicht so schnell wieder rausgehen!
Danke, Hannes, ein interessanter Tipp :_) Liebe Grüße, Maria
Genau so erinnere ich mich an Marseille: ein etwas verruchter Ruf eilte der Stadt voraus und schon damals, vor den letztjährigen Berichten über Bandenkriege, Drogen, Extremismus und Anschläge galt sie als eher mit Vorsicht zu geniessen.
Wir konnten das Alles kurz nach der Ankunft vergessen, verbrachten einen wunderbaren Abend in einer heimeligen Brasserie, spazierten Nachts über die Plätze und genossen am Tag darauf die Aussicht auf die ganze Stadt und den Hafen, bevor wir am Nachmittag zu einer kleinen Kreuzfahrt starteten.
Liebe Reisegrüsse, Miuh
Liebe Miuh! Wir haben es ähnlich erlebt. Natürlich ist man als Reisender ohnehin immer etwas “geschützter”, weil sich die Kriminalität (zwischen den Banden) dort abspielt, wo man selber nicht hinkommt. Liebe Grüße, Maria