Abtauchen im Großstadtdschungel

Ein Stadtspaziergang im Untergeschoß von Seattle.

Schlaflos hin oder her. Dass das Seattle der Vergangenheit eigentlich unter der heutigen Stadt zu finden ist, wissen die wenigsten.

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Abtauchen – und das mitten in der Großstadt. Denn in Seattle findet man unter den Straßen die Geschichte der Metropole. 1889 wurde Seattle bei einem Brand fast vollständig zerstört. Doch die Bewohner wollten sich nicht vertreiben lassen. So bauten sie auf den Trümmern das neue Seattle auf. Kurzum: Das ehemalige Erdgeschoß wurde zum Kellerabteil der ganzen Stadt.

Über die Glasbausteine im Boden des Gehweges laufen täglich tausende Beine. Von unten merkt man davon wenig, denn hier taucht man mit den Underground Tours in die Vergangenheit ein.
Über die Glasbausteine im Boden des Gehweges laufen täglich tausende Beine. Von unten merkt man davon wenig, denn hier taucht man mit den Underground Tours in die Vergangenheit ein.

Unterirdische Touren durch Seattle

Man glaubt es kaum, doch unscheinbare Türen in Seitengassen führen in das Seattle, das man nicht mehr sieht. Enge Treppen lassen die Besucher nach unten steigen, wo man durch stickige Gänge spaziert und an alten Hausmauern und Gehsteigen vorbei kommt. Eine Reise in die Vergangenheit – ungesehen von der Gegenwart.

Einst waren es die Hauptstraßen der Stadt im nordwestlichen Eck der USA. Vorbei an alten Geschäftseingängen wird man mit dem Leben der Gesellschaft vor 1889 bekannt gemacht. Über sechs unterschiedlich beschaffene Treppen, unsteten Boden, mit schummrigem Licht. Es mutet etwas seltsam an, dass man in Seattle vom „Great Fire“ spricht. Die Holzkonstruktionen des „alten“ Seattles waren ein Opfer schlechter Planung, und die Stadt freute sich, eine neue Umgebung zu erschaffen.

Am Pioneer Square erinnert nur mehr das Schild des alten Hotels, bei dem man im 19. Jahrhundert ein Zimmer für 75 Cent mieten konnte. Die restliche Vergangenheit ruht im Untergeschoß.
Am Pioneer Square erinnert nur mehr das Schild des alten Hotels, bei dem man im 19. Jahrhundert ein Zimmer für 75 Cent mieten konnte. Die restliche Vergangenheit ruht im Untergeschoß.

Pioneer Square und Seattle im Keller

Vom Doc Maynard’s Public House – einem Saloon aus 1890, der für die Besucher liebevoll restauriert wurde, führen die Guides die Interessierten durch drei Blocks – unterirdisch. Direkt unter dem belebten Pioneer Square erhascht man ab und zu ein paar Sonnenstrahlen durch die Glasbausteine, die im Asphalt der Gehsteige verwendet wurden. Tagtäglich laufen tausende Menschen über diese Glaspartikel, ohne daran zu denken, dass direkt darunter der Gehsteig der Vergangenheit auf die Ewigkeit wartet.

Die Geschichten basieren auf Bill Speidels (verstorben 1988) Aufzeichnungen. Er veröffentlichte Bücher über die Historie von Seattle und schrieb sie mit Humor und Satire nieder. Die Meilensteine der erfolgreichen Stadt, die in der Vergangenheit und Zukunft mit Microsoft, Starbucks und der Space Needle ständig aufeinanderstoßen, konnten nur durch die Bemühungen der Bevölkerung geschafft werden. Bill Speidel war maßgeblich an der Erhaltung des historischen Zentrums rund um den Pioneer Square beteiligt. Ein uriger Aspekt der heutigen Westküstenmetropole. Und eine kleine Reise in die Geschichte vor 1889. Unter den Straßen von heute.

Das alte Seattle beinahe unberührt nach dem Brand 1889. Eine bizarre Besichtigung ungesehen vom Alltag im heutigen Erdgeschoß.
Das alte Seattle beinahe unberührt nach dem Brand 1889. Eine bizarre Besichtigung ungesehen vom Alltag im heutigen Erdgeschoß.

kofferpacken.at-Tipp:

Für alle Individualisten sei gesagt: Man kommt nur im Rahmen von organisierten Touren (Eintritt 17 US Dollar pro Person – Stand 2013) in den Untergrund von Seattle. Diese Touren werden nur auf Englisch angeboten, weshalb man halbwegs sattelfest in der englischen Sprache sein sollte. (Daniela Nowak, kofferpacken.at)

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