Das Fahrrad hat einen komfortablen Sattel. Die Satteltasche hat genügend Stauruam für Jacke, Sonnencreme und Müsliriegel. Links an der Lenkstange ist eine Halterung angebracht, in die ich meine frisch aufgefüllte Wasserflasche stecke. Ich fühle mich gut gerüstet für den Innradweg. Ab jetzt heißt es Strampeln. Rund 220 Kilometer betragen die ersten drei Etappen. Motorische Unterstützung gib’s auch, also alles halb so wild: Ich bin am eBike unterwegs.
Die Innradweg-Route: Engadin, Tirol, Oberösterreich und Bayern
Der Innradweg führt auf 520 Kilometern quer durch die Alpen. Startpunkt ist die Flussquelle in der Nähe des Malojapasses im Schweizer Engadin, einem Hochtal im Kanton Graubünden. Als Innquelle wird der auf 2.484 m Höhe gelegene Lunghinsee bezeichnet. Von hier aus durchqueren Fernradfahrer*innen das Engadin, Tirol, Oberösterreich und Bayern.
Der Radweg endet in der deutschen Dreiflüssestadt Passau, wo der Inn in die Donau mündet. Für mich geht’s einige Kilometer unterhalb von Maloja los, in Silvaplana. Der Tourismusort ist berühmt für den türkisblauen Silvaplanasee, auf dem sich bei gutem Wetter und Wind zig Wassersportler*innen tummeln.

Etappe 1, 75 Kilometer: von Silvaplana nach Scuol
Still, schmal, dunkelblau. Zu Beginn der ersten Etappe des Innradwegs im Schweizer Engadin präsentiert sich das Gewässer zahm und zaghaft. Der Radweg führt vorbei an saftigen Wiesen, schattigen Wäldern und durch Campingplätze. Umsäumt wird das Landschaftsbild von schroffen Gipfeln und einem strahlenden Himmel, gespickt mit kleinen weißen Wölkchen.

Der berühmte Touristenort St. Moritz ist schnell erreicht und durchfahren. Weiter geht es durch historische Dörfer wie Zuoz, Zernez oder Lavin. Dort stehen seit Jahrhunderten Häuser im typischen Engadiner Stil. Das Engadinerhaus hat wuchtige Steinmauern, oft verziert mit eingekratzten Ornamenten im Sgraffito-Technik.

Der Inn gibt Orientierung, der Radweg nähert und entfernt sich dem Fluss aber immer wieder. Hoch oben über dem Inntal führt die Strecke durch eine Wiesenlandschaft. Weit unterhalb zeigt sich ein weites, grünes Panorama, durchzogen vom türkisblauen Fluss, umrahmt von den Engadiner Dolomiten.
Der Blick nach vorne richtet sich auf das 150-Einwohner-Dorf Guarda samt Kirchturm. Es liegt 1.650 Meter hoch auf einer sonnigen, hügeligen Felsterrasse. Das Rad rumpelt über Kopfsteinpflaster, vorbei an Engadinerhäusern in pastelligen Farben und leuchtenden Blumen vor den Fenstern. Nach der Ankunft in Scuol geht’s abends ins Thermalbad Engadin Bad Scuol – das warme Mineralwasser tut den Wadeln gut.

Etappe 2, 66 Kilometer: von Scuol nach Landeck in Tirol
Kühle Morgenluft neckt das Gesicht. Jetzt geht’s mit dem eBike erstmal bergab. Von der Innbrücke in Scuol aus zeigt sich der Inn von seiner wilden Seite. Der Fluss rauscht durch eine Landschaft aus Wäldern und Bergen.



Schon kurz nach der hübschen Altstadt folgt ein kurzer Stopp an der Lischana-Quelle, wo man sich Mineralwasser abfüllen kann. Sie ist eine der magnesium- und mineralienreichsten Quellen Europas.
Die rund 40 Mineralquellen in der Region sind der besonderen geologischen Struktur zu verdanken. Regenwasser sickert tief in die Erde ein und durchdringt dabei vielfältige Gesteinsschichten. Das Wasser reift bis zu 25 Jahre in der Erde und gelangt in Form von Quellen wieder an die Oberfläche. Es ist angereichert mit verschiedenen Inhaltsstoffen wie Kalzium, Magnesium, Eisen oder Kalium sowie mit natürlicher Kohlensäure.

Nach weiteren rund 30 Kilometern führt der Innradweg über die Grenze zwischen der Schweiz und Tirol. Nach einer Mittagsrast im Dorf Pfunds setzt sich die Tour weiter bis nach Landeck fort.

Etappe 3, 80 Kilometer: von Landeck nach Innsbruck
Nach zwei Tagen am Fahrrad machen sich Gesäß und Waden bemerkbar. Ansonsten hält sich die Anstrengung in Grenzen, das eBike gibt ordentlich Unterstützung. Die 80 Kilometer von Landeck bis nach Innsbruck ziehen sich zwar ein bisschen, sind aber gut machbar. Immer wieder blitzt der Inn hervor. Mal milchig-blau, mal türkis-schimmernd. Bei Roppen lädt ein Kiefernwald direkt am Fluss mit natürlichen Sandbuchten zum Pausieren ein.

Die Weiterfahrt durch Dörfer und Gemüsefelder durch das schmale Inntal kreuzt immer wieder die Schienen der Zugstrecke. Auch die Inntalautobahn ist hörbar nah. Kurz vor Innsbruck schlängelt sich der Radweg vorbei am Flughafen und streift einen der Innbadeplätze, wo Einheimische sich sonnen und baden.

Wenig später rollt das Fahrrad über die Innbrücke, woher auch der Name Innsbruck stammt. Die Alpenstadt begrüßt mit Sonnenstrahlen, einladenden Freiluftcafés und munterem Gewusel in der historischen Altstadt. Mit mehr als 220 Rad-Kilometern in den Beinen heißt es jetzt erstmal: Im Hotel-Spa die Muskeln lockern und entspannen.
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Tipp zum Weiterlesen: Artikel von Maria Kapeller über den Innradweg auf www.nau.ch.
In eineinhalb Jahren mit dem Fahrrad um die Welt – ein Weltenradler im kofferpacken.at-Interview.
Ein Leben am Fahrrad – die absolute Freiheit – ein Radler aus Tschechien im kofferpacken.at-Kurzinterview über sein Rad-Vagebundendasein in Europa.
 
  
  
  
  
 