Griechenland-Krise: "Sorry, ihr hattet Krebs"

Gastwirt Aris aus Griechenland
Es gibt Licht am Ende des Tunnels, glaubt Aris.
Aris Michalas, Grieche, Gastwirt, Familienvater, über die Krise, den Zorn und Licht am Ende des Tunnels.
Krise, EU-Hilfe, hohe Politik, Grexit. Aber: Wie geht es den Menschen, über deren Existenz die Welt diskutiert? Aris Michalas, 43, betreibt das Restaurant “Belvedere” mit Pool-Bar in Paleokastritsa, Korfu. Von Kindesbeinen an hat er im Familienbetrieb mitgearbeitet. “Seit ich mich erinnern kann war ich im Sommer keinen einzigen Samstagabend in der Stadt um auszugehen, während der Hochsaison gibt es für mich keine freien Tage”, sagt er. Wie er über die Krise denkt und wie es ihm und seiner Familie in dieser schwierigen Zeit ergeht, erzählt er im Gespräch mit Maria Kapeller.

kofferpacken.at: Sie sind seit mehr als drei Jahrzehnten im Tourismusgeschäft, haben viele Gäste kommen und gehen sehen. Wie hat sich das Ganze mit den Jahren verändert?

Aris Michalas: Viele Dinge haben sich verändert, auch das Leben unserer Besucher. Sie verhalten sich heute ganz anders als früher, sie sind sogar in ihrem Urlaub gestresst. Das Publikum ist generell älter geworden, wobei viele unserer Gäste Stammgäste sind, die seit Jahren kommen.

kofferpacken.at: Wer ist Ihrer Meinung Schuld an der Krise in Griechenland?

Aris Michalas: Die Politiker – sie haben uns etwas vorgemacht, uns lange Zeit die wahre Situation Griechenlands verschwiegen. Es ist wie bei Krebs: Er kommt nicht von einem Tag auf den anderen, er beginnt schleichend, über Jahre hinweg. Die Leute hier sind zornig, die Politik hat uns gegeben und gegeben – aber das Geld war in Wirklichkeit nicht vorhanden. Nun sind wir am Sterben und sie sagen: Sorry, ihr hattet Krebs.

kofferpacken.at: Die Touristeninsel Korfu ist weit weg vom Krisenherd Athen. Wie ist die Krise hier spürbar?

Restaurant Belvedere, Korfu
Aussicht vom Restaurant Belvedere in Paleokastritsa, Korfu.

Aris Michalas: Das stimmt, die großen Probleme findet man eher in den großen Städten des Landes. Auf den Inseln ist das anders, es gab hier zum Beispiel keine Demonstrationen.

kofferpacken.at: Die Tourismusindustrie befürchtet heuer weniger Gäste und somit Rückgänge bei den Einnahmen. Macht sich das auch in Ihrem Lokal bemerkbar?

Aris Michalas: Vor allem deutsche Touristen kommen heuer eher weniger, weil sie das Gefühl haben, uns schon genug gegeben zu haben. Dabei haben auch wir in den EU-Topf eingezahlt. Aber wenn sie nicht hier Urlaub machen, können wir keine Einnahmen machen und nichts zurückzahlen. Ich will nicht mehr Geld von Deutschland, ich will Touristen guten Service bieten und dafür bezahlt werden.

kofferpacken.at: Verhalten sich Touristen in diesem Jahr Ihnen gegenüber anders?

Aris Michalas: Ich habe bemerkt, dass viele Deutsche ziemlich sarkastisch sind – natürlich sind nicht alle so. Ich war vor einiger Zeit am Markt in der Stadt und einer von ihnen fragte einen Händler: Soll ich in Euro oder in Drachmen zahlen? Natürlich ist sofort ein Handgemenge entstanden. Touristen aus anderen Ländern fragen eher nach, wie es uns geht.

kofferpacken.at: Wie spüren Sie die Krise privat?

Aris Michalas: Wir sind alle näher zusammen gerückt, nicht nur innerhalb der Familie, auch im Dorf oder mit unseren Angestellten. Ich habe noch immer gleich viel Personal wie vor der Krise, ich musste niemanden kündigen, aber es gab auch keine Lohnangleichung. Auch sie haben alle Familie und brauchen ein regelmäßiges Einkommen.

kofferpacken.at: Was wünschen Sie sich für die Zukunft, wie wird es weitergehen?

Aris Michalas: Es stehen uns viele schlechte Jahre bevor, aber ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Sich die Füße abzuschneiden ist immerhin besser, als zu sterben.

kofferpacken.at: Was lieben Sie nach wie vor an Ihrer Heimat?

Aris Michalas: Korfu ist meine Insel, mein Leben.

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