Skopje: Europas surreale Hauptstadt

Mazedoniens Hauptstadt Skopje
Prunkvolles Skopje, zumindest nach außen hin
Nordmazedonien - ein grünes, unentdecktes Juwel. Nur die Hauptstadt Skopje passt nicht ins Bild: Sie wurde aus dem Boden gestampft, als hätten Stadtpolitiker mit riesigen Legosteinen gespielt.

Nordmazedonien. Eines dieser Länder, das nicht mal ein Fleck auf der touristischen Landkarte ist. Der Staat hat keinen Zugang zum Meer und wird meistens nur von denen besucht, die auf der Durchreise in ein anderes Gebiet am Balkan sind. Auch das sind nicht die Massen. Wer dennoch ein paar Tage hier verbringt, begibt sich abseits ausgetrampelter Pfade. Und in ein kleines, grünes, unentdecktes Paradies – mitten in Europa. Die Republik ist tatsächlich nicht groß: Von Nord nach Süd dauert es mit dem Bus gerade Mal drei Stunden. Der Zwei-Millionen-Einwohner zählende Staat ist dünn besiedelt. Vom Busfenster aus sieht man hauptsächlich, Felder, Hochebenen, grüne Bergrücken und Weinreben. In die Hauptstadt, nach Skopje, fahren Busse aus vielen Ländern des Balkans. Ein Streifzug durch eine surral wirkende Hauptstadt:

Halb Skopje, eine Baustelle

Halb Skopje ist eine Baustelle, besonders entlang des Flusses Vardar wurden innerhalb kürzester Zeit Protzbauten im Barockstil mit vielen Säulen aufgezogen, überdimensionale Statuen von Volkshelden aufgestellt und prunkvolle Brücken gebaut. Es wäre, als hätten die Stadtväter riesige Legosteine gekauft, die sie jetzt stolz wie kleine Kinder wahllos aufeinandersetzen. Hinter dem Baumboom der vergangenen Jahre steckt das Projekt “Skopje 2014”. Es handelt sich um ein Prestigeprojekt, um das Zentrum herauszuputzen und neu zu gestalten. Nachdem viel mehr Geld ausgegeben wurde als geplant und Korruptionsvorwürfe im Raum standen, wurde das Großprojekt 2017 gestoppt.

Unwirklich: Skopje, Mazedonien

Die Einheimischen halten naturgemäß wenig vom herrschaftlichen Bauboom der vergangenen Jahre. „Wenn auf der einen Straßenseite die Leute um essen betteln und auf der anderen solche Gebäude stehen, kann uns das nicht gefallen“, echauffiert sich ein Fotograf. Die Kosten seien ins Unermessliche gestiegen, Korruption und Vetternwirtschaft profitieren.

Steinbrücke in Skopje

Weil Skopje 1963 von einem schweren Erdbeben zerstört wurde, gibt es ohnehin nicht mehr viele alte Gebäude. Sehenswert sind die Steinbrücke (Foto)  über den Fluss Vardar und die Altstadt, die aus der Zeit der Osmanen stammt und „Grand Pazar“ genannt wird. Bei freiem Eintritt kann man außerdem das Museum von Mutter Teresa besuchen, die in Skopje geboren ist.

Grand Pazar in Skopje

Kleingeld für die Bettler

Obwohl es an Geld und Jobs zu fehlen scheint, ist die Stimmung in Skopje allgemein sehr ausgeglichen. Die Hektik anderer Städte ist hier nicht zu spüren. Ein paar junge Aktivisten treffen sich jedes Wochenende in ihrem Zentrum Kula, wo sie Salate schnipseln, um anschließend Essen an die Mittellosen zu verteilen. In den Kavanas, den traditionellen Gasthäusern, sieht man oft Bettler, denen die Gäste wie selbstverständlich Kleingeld zustecken. „Es ist ganz normal, ihnen etwas zu geben, viele Leute machen das“ erklärt Lena, 23. Und das, obwohl die Meisten es selber gut gebrauchen könnten.

Grüner Markt in Skopje, Mazedonien

Das Alltagsleben ist geprägt von den „Grünen Märkten“ (Selano Pazar). Es sind einfache Basare, oft in Hinterhöfen von ganz normalen Wohnhäusern. Zu kaufen gibt es frisches Obst und Gemüse. Und zwar vor allem das, was den Speiseplan in Mazedonien prägt: Paprika, Tomaten, Zucchini, Weinblätter (Foto). Nach dem Einkaufen stärkt man sich mit Mekita, einem ungefüllten Teigkrapfen, in viel Fett herausgebacken.

Mektita, Teigtasche in Mazedonien

Die Zukunft? Ein Schulterzucken.

Rund ein Drittel der Bevölkerung Nordmazedoniens ist arbeitslos, der Durchschnittslohn liegt bei 350 Euro im Monat. Junge Leute sehen der Zukunft nicht sehr optimistisch entgegen, weniger deprimiert, mehr mit einem Schulterzucken. „Ich bin es gewohnt, kein Geld zu haben“, sagt Lena. Die 23-Jährige hat an der Kunstuni studiert. Einen Job zu finden, das sei richtig schwierig. Vor allem, weil man dafür der Partei beitreten müsse. Wie viele andere wohnt Lena bei ihren Eltern, „tagsüber gehen wir in den Park, in eine Kavana , abends in Clubs.“ Sie will ihr Glück erstmal in der serbischen Hauptstadt Belgrad versuchen, dort gebe es mehr Möglichkeiten. Sie wird einen Bus dorthin nehmen. Irgendwann, bald.

 

Koffer packen und los geht’s:

  • Ab in den Gastgarten: Die Kavanas sind die traditionellen Gasthäuser in Mazedonien. Neben viel Fleisch stehen vor allem frische Salate und kleine Snacks wie gegrillter weißer Käse, pberbackene Bohnen, mit Käse überstreute Brotstücke oder paniertes Gemüse auf den Speisekarten. Einheimische bestellen üblicherweise kleine Portionen unterschiedlicher Speisen für den gesamten Tisch, ähnlich dem Meze in Griechenland und Zypern.
  • Ab ins Grüne: Ausflugsziel Nummer Eins für Naturfans ist der 15 Kilometer entfernt liegende Canyon Matka: Ein Fluss, der sich sechs Kilometer lang durch eine Gebirgsschlucht schlängelt und am Ende aufgestaut wird. Man kann auf einem schmalen Weg entlang des Wassers wandern, sich ein Kajak ausborgen oder per Motorboot zu den Höhlen fahren. (Linienbus Nr. 60 von Skopje aus)
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